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Seit 2002 sind deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert. Kurz vor Weihnachten wurde der Einsatz der Bundeswehr vom Bundestag wieder verlängert. Die Sicherheitslage ist trügerisch, die Militärs fliegen in einer gefährlichen Region. Auch 2016 werden wieder einige Hubschrauber mit Besatzungen aus Laupheim vom Flugplatz in Masar-i-Sharif starten.
Eine Reise an den Hindukusch beginnt fast so normal wie ein Urlaubsflug nach Mallorca. Einchecken am Bundeswehr-Terminal in Köln, Pass- und Sicherheitskontrolle, Transfer zum Flieger. Doch dann sitzt man plötzlich in einer Frachtmaschine der US Air Force. Der Komfort ist eingeschränkt. Fenster nach draußen: keine, Bordverpflegung: eine Tüte mit zwei Brötchen, Apfel und Gummibärchen. Soldaten sind genügsam.
Kein normales Reiseziel
Kurz vor der Landung dann die Durchsage: „Fasten seat belts, we are reaching the combat zone“. Spätestens jetzt sieht man, dass das Feldlager Camp Marmal kein gewöhnliches Reiseziel ist. Rund 70 Soldaten aus Laupheim sind hier im Einsatz. Sie bleiben meist zwischen sechs Wochen und vier Monaten, die meisten haben sich daran gewöhnt, einen Teil ihrer Dienstzeit 5000 Kilometer von daheim zu verbringen. Untergebracht sind sie am Flugplatz in Masar-i-Sharif.
Das Camp Marmal ist ein mit Wachtürmen und Schutzmauer umgebener Sicherheitsbereich, zweimal drei Kilometer groß. 22 Nationen arbeiten hier zusammen, die Bundeswehr hat das Oberkommando und kümmert sich um Sanitätsversorgung, Logistik und Lagertechnik. Rund 850 deutsche Soldaten sind zurzeit in Afghanistan, es waren einmal über 5000, viele wurden schon zurückverlegt. Nicht so die Hubschrauber aus Laupheim. Sie wurden erst 2015 wieder von drei auf fünf Maschinen aufgestockt.
Zu wichtig ist der Faktor Lufttransport für einen Einsatz in einem Land mit unsicherer Infrastruktur. Neben dem Personen- und Materialtransport müssen die Laupheimer Flieger auch die Rettungsrolle übernehmen. Dafür ist eine große CH-53-Maschine mit einer Notarztausstattung ausgerüstet, die zusammen mit einem Begleithubschrauber für die schnelle Bergung von verletzten Soldaten bereit steht.
„Wir fliegen hier nie alleine, mit nur einer Maschine, und nie unbewaffnet“, beschreibt der Laupheimer Staffelkapitän Oberstleutnant Horst M. die besonderen Verhältnisse. „Es wäre viel zu gefährlich und unverantwortlich.“ Er erinnert an einen Vorfall im November 2015. Ein allein fliegender, unbewaffneter Hubschrauber mit afghanischen Soldaten an Bord musste damals im Taliban-Gebiet notlanden, es kam zum Feuergefecht, drei Soldaten wurden getötet und 18 als Geiseln genommen.
Maschinen schwer bewaffnet
Die deutschen Maschinen sind daher immer mit je drei schweren Maschinengewehren bewaffnet und im Innenraum mit ballistischem Schutz ausgestattet. Rund die Hälfte der Hubschrauber-Soldaten sind Techniker, die meisten davon kommen auch aus Laupheim.
Einer von ihnen ist Hauptfeldwebel Alexander W. „Die Hubschrauber fliegen ungefähr 200 Stunden, dann müssen sie per Luftfracht wieder zurück nach Deutschland zur vorgeschriebenen großen Inspektion, die können wir hier nicht machen. Alle Teilinspektionen, und viele Reparaturen können wir aber hier vor Ort durchführen“, beschreibt er seine Tätigkeit. „Vieles kann im Einsatzland sogar viel schneller repariert und gewartet werden, weil alle Fachgruppen und Prüfer hier sind. Keiner ist im Urlaub, auf Lehrgang oder mit zeitraubenden Alltagsroutinen beschäftigt. Außerdem gilt im Einsatz die Sieben-Tage-Woche.“
Nur Erfahrene dürfen fliegen
Der Dienstbetrieb im Laupheimer Geschwader leidet unter den hohen Belastungen. Es gibt nur eine beschränkte Anzahl an tauglichen Maschinen und zu wenig Personal. Denn nur die älteren Hubschrauber mit Außentanks und Schutzausstattung dürfen am Hindukusch geflogen werden. Eingesetzt werden nur besonders qualifizierte Piloten. Die Arbeit sei anspruchsvoll, erzählt der erfahrene Hauptmann Aldi F. „Tiefflug, Nachtflug, Gebirgsflug, Staublandequalifikation und noch eine Reihe weiterer Spezialausbildungen sind die Voraussetzungen für einen Einsatz als Pilot“.
Wie gefährlich die Flüge bleiben, hat eine Laupheimer Besatzung erst Anfang Dezember erlebt, die südlich von Kundus beschossen wurde und die mit einem Treffer im Rotorblatt zurückkehrte. Die Sicherheitslage ist nicht stabil, das zeigen die Angriffe in Kabul, auf den Flughafen Kandahar oder in der Provinz Helmand in den letzten Wochen. Die Taliban nutzen den Rückzug der internationalen Truppen, um sich wieder auszubreiten. Die afghanische Armee und die Sicherheitskräfte sind weiterhin im Aufbau und haben noch Ausrüstungs- und Ausbildungsmängel.
„Wir sind mit dem Ausbildungsauftrag auf einem guten Weg, aber wir brauchen mehr Zeit als geplant“, sagt der deutsche Brigadegeneral Andreas Hannemann, der die Truppen des „Resolute Support“-Mandats führt. Für die Laupheimer Soldaten bedeutet dies, dass sie wohl auch über 2016 hinaus in Afghanistan bleiben werden. Eines ist ihnen dabei ständig bewusst: Mit dem Überfliegen der Flugplatzgrenze befinden sie sich über einem Kriegsgebiet.