Die Hubschrauberbesatzungen in Holzdorf trainieren für Einsatz in Krisengebieten. Nachtflüge erfordern eine spezielle Ausbildung und verlangen der Crew physisch alles ab.
Nachts schlägt die Stunde der Jäger. Ihr Vorteil ist, im Dunkeln sehen zu können. Diese Fähigkeit machen sich dank des Einsatzes von Restlichtverstärkerbrillen auch Hubschrauberpiloten der Bundeswehr im Fliegerhorst Holzdorf zunutze.
Leichte Nebelschwaden streifen den Horizont, der Himmel ist restlos bedeckt, weder Mond noch Sterne sind auszumachen. Orientierung im Gelände bieten lediglich das Schlaglicht des Towers, der mit einem weithin sichtbaren Lichtstrahl seine Position verrät, sowie die blauen Lampen der Bahnbefeuerung. Inmitten dieses Szenarios bereiten zwei Crews ihre Hubschrauber des Typs CH-53GA „German Advanced“, die modernste Variante des bewährten Transporthubschraubers, auf den Nachtflug vor. Der Zeitpunkt scheint günstig. Immer wieder mussten ähnliche Vorhaben in den vergangenen Tagen abgesagt werden. Dichter Nebel oder die Gefahr von Vereisung der Rotorblätter ließen einen Start der Maschinen nicht zu. Sicherheit von Mensch und Material gehen eben vor.
An diesem tristen Novemberabend stehen die Zeichen jedoch auf Flugbetrieb. Noch während die Besatzungen sich mit der anstehenden Aufgabe auseinandersetzen, quert ein „Tornado“ Jagdbomber den Platz. Langsam senkt sich der Jet in Richtung Runway. Doch schon wenige Augenblicke später schaltet der Pilot auf maximalen Schub. „Touch and go“. Der stählerne Koloss verschwindet wieder mit voller Kraft in der Dunkelheit, kurz darauf ist er wieder da. Dreimal wiederholt sich das.
Die Vorbereitungen der Helikopterbesatzungen beeinflusst dieses Prozedere nicht. Routiniert und zügig erledigen die Männer ihren Job. Auch wenn es keine Stammbesatzungen gibt und die Mitglieder einer Crew immer wieder wechseln, kennt jeder seine Aufgabe. Gespräche werden auf das Notwendigste reduziert. Nur so lässt sich die geplante Unternehmung konstruktiv abarbeiten. Pilot und Co-Pilot führen erste Checks im Cockpit durch, zeitgleich überwachen Bordtechniker das Anlaufen der Triebwerke. Ein letzter Rundgang um die Maschine stellt sicher, dass alles so funktioniert, wie es soll. Nach dem Verschließen der Tür rollt die CH-53GA mit eingeschalteten Scheinwerfern in Richtung Start- und Landebahn und wartet auf die Freigabe des Towers. Ist die erfolgt, hebt der massige Körper des Hubschraubers ab. In sieben Metern Höhe wechselt er in den stationären Schwebeflug. Abermals überprüft der Pilot die Leistung der Triebwerke, kontrolliert die Drehzahlmesser, steuert den Helikopter mit kurzen Bewegungen in alle vier Himmelsrichtungen. Im Falle eines Defekts wäre das die finale Gelegenheit, die Maschine sicher zu landen. Befinden sich alle Parameter im Limit, verschwindet der Helikopter im Dunkeln.
Nachtflüge erfordern eine spezielle Ausbildung und verlangen der Crew physisch alles ab. Nicht nur, dass die am Helm montierten Bildverstärkerbrillen eine im Nacken spürbare Gewichtszunahme mit sich bringen, sie schränken zudem das Sichtfeld des Piloten ein. „Peripheres Sehen ist mit ihnen nicht möglich“, erläutert Oberstleutnant Victor Schütze (Name geändert). Vielmehr habe man das Gefühl, auf einen Bildschirm zu blicken. Vorwärtsbewegungen werden dadurch deutlich schwerer wahrgenommen. „Der Pilot muss somit ständig nach links und rechts blicken, um die Geschwindigkeit einordnen zu können“, ergänzt er. Bei Landungen im Außenbereich, wie sie auch bei Nachtflügen in der Annaburger Heide vorgenommen werden, ist er deshalb um so mehr auf die Anweisungen des Bordtechnikers angewiesen. Der gibt über Funk seitliche Abstände und Höhenangaben ans Cockpit weiter, ermöglicht so ein gefahrenfreies Aufsetzen. „Der Flug funktioniert nur, wenn die Crew miteinander kommuniziert. Kurze Wortwahl, klare Ansagen und das Anwenden trainierter Abläufe sind für den Erfolg zwingend notwendig“, verdeutlicht Schütze.
Ziel des Trainings sei in erster Linie die Vorbereitung der Soldaten auf ihren Einsatz in Afghanistan. Fünf Maschinen und sieben Crews stellt das Hubschraubergeschwader 64, zu dem die am Fliegerhorst Holzdorf stationierte Lufttransportgruppe gehört, derzeit für diesen Auslandseinsatz ab. Wegen der Verschärfung der Sicherheitslage am Hindukusch ist fraglich, ob die Bundeswehr wie geplant 2016 das Land verlassen wird. Viele Szenarien, wie sie in Afghanistan zu erwarten sind, lassen sich in Deutschland trainieren. Was die Besatzungen dort aber zweifelsfrei nicht antreffen, sind Windparks.
„Sie erschweren den Flug erheblich“, betont Oberstleutnant Schütze. Rotes Licht wird durch die Restlichtverstärkerbrillen extremer dargestellt als jede andere Lichtquelle. Das blinkende Lichtermeer der Windkraftanlagen wirkt deshalb störend im Sichtfeld der Piloten. Darüber hinaus zwingen die Anlagen die Helikopter in immer engere Korridore, da die Besatzungen darüber hinaus angewiesen sind, wegen des Lärmschutzes auch das Überfliegen von Ortschaften soweit möglich zu vermeiden.
Knapp neunzig Minuten dauert ein Übungsflug. Danach neigt sich der Tank der CH-53GA dem Ende. Vieles, was die Besatzung beherrschen muss, lässt sich auch im Simulator trainieren. Doch den möglichen Ernstfall kann man nur nach realen Flügen wirklich beherrschen. Deshalb werden die Holzdorfer Helikopter auch in den kommenden Nächten am Himmel ihre Kreise ziehen.